Das Herz - mehr als ein Organ




Bereits bevor die Menschen die körperlichen Funktionen des Herzens kannten, wussten sie, dass es sich dabei um ein wichtiges Organ handelt. Da es sich bei starken Gefühlsregungen bemerkbar macht, sei es aus Liebe oder in Todesfurcht, glaubten sie sogar, dass im Herzen das Gewissen oder die Seele sitze.

Réné Descartes, Philosoph und Naturwissenschaftler des 17. Jahrhunderts, bezeichnete solche Vorstellungen als falsch. Er hielt Gefühle in der Herzgegend für bloße Täuschung. Sein Zeitgenosse William Harvey hatte 1628 entdeckt, dass das Herz eine Pumpe ist, die den Blutkreislauf in Gang hält. Angesichts solcher medizinischer Erkenntnisse rückten Vorstellungen wie die vom Herzen als Gewissen in den Hintergrund.

Trotzdem gibt es in unserer heutigen Sprache unglaublich viele Redewendungen, die das Wort "Herz" beinhalten: Das Herz ist gebrochen, man schließt jemanden in sein Herz oder "es geht einem das Herz auf", um nur einige zu nennen.

Schon vor über 4500 Jahren beschrieb das babylonische Gilgamesch-Epos, die älteste Dichtung der Menschheit, wie König Gilgamesch Todesfurcht in seinem Herzen verspürte und sich daher auf die Suche nach dem Kraut der Unsterblichkeit machte.

Im Laufe der Jahrhunderte spielte das Herz in vielen Kulturen besonders in Verbindung mit dem Tod oder dem drohenden Ende der Welt eine wichtige Rolle.

Die alten Ägypter glaubten, dass Herz würde beim Totengericht über Unsterblichkeit oder Verdammnis des Verstorbenen entscheiden. Sie stellten sich das Herz als ein Gefäß vor, in dem sich im Lauf des Lebens die Sünden ansammelten. Da das Herz beim Totengericht auf einer Waage gegen die Gerechtigkeit, dargestellt durch eine Feder, aufgewogen wurde, war ein Leichtes, sündenfreies Herz wichtig. In der griechischen Antike gab es eine solche plastische Vorstellung zwar nicht, doch der Philosoph Aristoteles hielt das Herz für den Sitz der Seele - und kommt damit dem späteren Glauben der Christen schon sehr nahe.

Auch im Alten Testament ist das Herz Ursprung des Lebens und Sitz der Seele. Die Vorstellung, Gott prüfe den Menschen, in dem er in sein Herz hineinähe, hat bis heute Bestand. Mittelalterliche Darstellungen zeigen den Erzengel Michael bei der Seelenwägung beim Jüngsten Gericht - Parallelen zum ägyptischen Totengericht sind offensichtlich.

Vom Mittelalter bis ins 19.Jahrhundert gab es unter europäischen Fürsten und Kaiser sogar die Sitte, nach dem Tode das Herz in einer besonderen Urne an einer heiligen Stätte beizusetzen. Durch diese völlige Hingabe wollten sie Gott besonders nahe sein.

Auch die Azteken weihten ihrem Stammesgott, der Sonne, menschliche Herzen. Hier allerdings mussten lebendige Herzen geopfert werden, denn nur sie stärkten die Sonne so, dass sie immer wieder aufgehen konnte. Was heute grausam erscheint, versprach dem geopferten Menschen jedoch Unsterblichkeit und rettete zugleich die Welt vor dem Untergang.

 

Künstliche Herzen - Leben auf Pump

Wenn das eigene Herz nicht mehr richtig pumpt, hilft nur eins: ein Spenderherz. Aber die sind rar. Viele Patienten sterben, während sie auf ein passendes Organ warten. Nur in wenigen deutschen Kliniken gibt es eine Überlebenshilfe für die lange Wartezeit: Künstliche Herzen unterstützen den schwachen Kreislauf der Kranken. Das eigene Herz bleibt dabei jedoch im Körper, denn die mechanische Pumpe kann es nicht vollständig ersetzen. Deswegen nennen Mediziner solche künstlichen Herzen auch mechanische Herzunterstützungssysteme.

 

Ein Leben auf Pump

Patienten mit Kunstherz können oft zum ersten Mal wieder ein paar Schritte gehen. Sie benötigen kaum noch Medikamente und könnten ein relativ normales Leben führen. Wäre da nicht die Steckdose, von der sie sich nicht länger als zwei Stunden entfernen dürfen. Und dieses Geräusch: Gleich ob sie sich die Zähne putzen, Musik hören oder mit ihren Ehepartnern sprechen, ständig begleitet sie das laute Pumpen ihres künstlichen Herzens. Aber das Schlimmste ist die Angst davor, dieses lästige Geräusch nicht mehr zu hören - vor einem Defekt der lebenserhaltenden Maschine. Der Rhythmus, den sie dem Patienten aufzwingt, die ungewohnten Vibrationen im Bauchraum - daran gewöhnt sich ein Herzkranker schnell, denn eine Alternative gibt es nicht.

Überlebenshilfe für die Wartezeit

Ein bis eineinhalb Jahre müssen schwer Herzkranke auf ihr Spenderherz warten. Kunstherzträger stehen auf den Wartelisten nicht sehr weit oben. Denn schließlich sichert die Maschine ihr Überleben. Ein wirklicher Lebensretter sind Kunstherzen aber nicht. Auf Dauer überlebt heutzutage keiner mit einem solchen mechanischen Kreislaufunterstützungssystem. Denn die maximalen Laufzeiten der Kunstherzen liegen ungefähr bei zwei bis drei Jahren. Gemessen an den ursprünglichen Zielen der Kunsherzentwickler ist das nicht viel. Es hat Jahrzehnte gedauert und einige Patienten das Leben gekostet, bis die heutigen Systeme entwickelt werden konnten. Die Wende kam erst, als die Wissenschaftler nicht mehr versuchten, das natürliche Herz zu ersetzen, sondern damit zufrieden waren, es einfach nur zu unterstützen.

Heute wissen Mediziner viel mehr über andere Funktionen des Herzens. Dieses Organ ist mehr als nur eine Pumpe, die das Blut durch unseren Körper befördert. Das Herz reagiert auf die verschiedensten Hormone. Es ist unglaublich anpassungsfähig und viel sensibler als jeder Computerchip. Kein künstliches System kann das Herz ersetzen. Aber vielleicht sind mechanische Herzunterstützungssysteme irgendwann so klein und leicht, dass sie problemlos wie ein Herzschrittmacher eingesetzt werden können.

 

Kunstherzen heute

Mittlerweile konkurrieren eine ganze Reihe verschiedener Systeme miteinander. Implantierbare Pumpen werden im Bauchraum des Patienten eingesetzt. Trotzdem liegen Antrieb und Energieversorgung außerhalb des Körpers. Dieser Kunstherztyp unterstützt nur die linke Herzkammer. Sie pumpt im gesunden Herzen das Blut in den Körperkreislauf und muss acht mal mehr Druck erzeugen als die rechte Herzkammer, die für den Lungenkreislauf zuständig ist. Implantierbare Pumpen können nicht bei jedem eingesetzt werden. Weil sie sehr groß und schwer sind, muss der Patient eine entsprechende Körpergröße haben, damit die Pumpe genug Platz hat.

Wenn beide Herzkammern zu schwach sind, müssen zwei Pumpen das gesamte Herz unterstützen. Diese Systeme werden außerhalb des Körpers betrieben. Die Patienten können sehen, wie ihr Blut durch die Pumpen läuft. Solche externen Pumpen haben jedoch gegenüber den implantierbaren Systemen den Vorteil, dass sie auch kleineren Personen und Kindern eingesetzt werden können. Außerdem sind sie für die Kardiotechniker leichter zugänglich und damit einfacher zu warten.

Probleme bei der Kunstherzentwicklung

Die Technik, die hinter den mechanischen Kreislaufunterstützungssystemen steckt, ist eigentlich nicht sehr kompliziert. Aber der Teufel steckt im Detail: Was außerhalb eines Körpers vermutlich jahrelang problemlos funktioniert, ist im Körper ganz besonderen Belastungen ausgesetzt. Das fängt schon beim Material an. Es muss mechanisch flexibel und biostabil sein, darf also im Körper nicht angegriffen werden. Bislang steht so ein optimaler Werkstoff noch nicht zur Verfügung.

Besondere Anforderungen werden auch an die innere Oberfläche der Pumpen gestellt. Sie muss sehr gut blutverträglich sein. Denn das Blut erkennt den Kohlenstoff als Fremdkörper und neigt dann dazu, Gerinsel zu bilden. Heutzutage wird der Innenraum der Pumpen mit der blutverdünnenden Substanz Heparin beschichtet. Diese Beschichtung nutzt sich allerdings mit der Zeit ab. Eine Dauerlösung für dieses Problem gibt es noch nicht.

Energieversorgung und Antrieb sind ebenfalls besonderen Anforderungen ausgesetzt. Um implantiert zu werden, müssen sie besonders klein sein. Mit Luftdruck angetriebene Pumpen können aus diesem Grund nur außerhalb des Körpers betrieben werden. Der Kompressor nimmt zu viel Raum ein. Eine mögliche Lösung wäre ein Magnetantrieb oder ein kleiner elektrischer Motor. Der hohe Enegieverbrauch der herkömmlichen Antriebssysteme schafft auch Probleme. Denn so viel Energie liefert keine gewöhnliche Batterie. Durch "Induktion" aufladbare Akkus gibt es zwar schon, sie haben allerdings den Nachteil, dass sie sehr groß sind.

Die heute verwendeten Verdrängerpumpen bestehen aus flexiblen Membranen, die sich hin und her bewegen. Dadurch wird eine Blutkammer gefüllt und entleert. Sobald das Blut in den Pumpeninnenraum eindringt, verdrängt es die Luft darin. Dieses Luftvolumen muss durch einen Schlauch nach außen geleitet werden. Selbst wenn diese Pumpen implantiert werden, brauchen sie eine Verbindung nach außen: Eine Art Schornstein, durch den die verdrängte Luft entweichen kann.

Diesen Nachteil haben Rotationspumpen nicht. Da unterscheiden die Kardiotechniker Zentrifugal- und Axialpumpen. Axialpumpen sind quasi kleine Turbinen, die bei sehr hohen Drehzahlen von 15 bis 20tausend Umdrehungen das Blut durch ein Rohr pumpen. Sie sind sehr klein und in Einzelfällen sehr effizient. Im Spätherbst soll im Deutschen Herzzentrum Berlin eine solche Pumpe getestet werden. Sie hat jedoch eine Besonderheit, von der die Mediziner noch nicht wissen, wie sie sich auswirkt: Die Axialpumpe erzeugt einen kontinuierlichen Fluss. Ein Patient, dessen Herz mit diesem System unterstützt wird, hätte deswegen keinen normalen Puls. Bislang weiß kein Arzt, wie sich das auswirkt.

 

 


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